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Silber: Am Boden, aber nicht zerstört

In den vergangenen beiden Monaten schalteten die Edelmetalle vom Seitwärts- in den Abwärtsmodus. Silber markierte im Zuge dieser Entwicklung sogar den tiefsten Stand seit sechs Jahren. Ein chartinduzierter Verkaufsdruck blieb bislang aus – ein markanter Rebound aber auch. Was bleibt, ist ein hohes Maß an Spannung.


China sorgt für miese Laune


Der chinesische Salami-Aktiencrash und die Angst vor der ersten Anhebung der US-Leitzinsen seit fast zehn Jahren haben den meisten Rohstoffen für 2015 zum Teil tiefrote Vorzeichen beschert. Diesem Negativtrend konnte sich Silber nicht entziehen und verbuchte seit dem Jahreswechsel ein Minus von fast acht Prozent. Auf Sicht von zwölf Monaten bzw. drei Jahren erhöhte sich der Kursverlust sogar auf ungefähr 30 bzw. 50 Prozent. Der Silberpreis hängt in hohem Maße vom Wohl und Wehe der chinesischen Wirtschaft ab und dort haben sich die Perspektiven spürbar eingetrübt. Obwohl die auf Edelmetallresearch spezialisierte GFMS in ihrem jährlichen Silber-Ausblick (World Silver Survey 2015) für das abgelaufene Jahr 2014 ein Defizit von 4,9 Millionen Feinunzen ausgewiesen hatte, profitierte das mit großem Abstand günstigste Edelmetall davon nicht.

Seit 2005 wies ein Land einen besonders stark wachsenden Appetit auf Silber aus: China. Auf Basis der Daten von GFMS schraubte das Reich der Mitte während dieses Zeitraums (2005 bis 2014) die Minenproduktion von 2.103 auf 3.568 Tonnen (+69,7 Prozent) nach oben, während weltweit lediglich ein Plus von 19.902 auf 27.293 Tonnen (+37,1 Prozent) registriert worden war. Damit sind die Chinesen bei der Minenproduktion weltweit die Nummer drei. Doch so richtig kommt die große Rolle der Chinesen für den Silbermarkt erst durch den Blick auf die Nachfrageseite zum Ausdruck. Hier belegt China nämlich mit großem Abstand die Poleposition – gefolgt von Indien, den USA und Japan. So kletterte der Bedarf der chinesischen Wirtschaft seit 2005 von 4.307 auf 7.808 Tonnen (+81,3 Prozent). Weltweit fiel die Nachfrage mit einem Zuwachs von 29.441 auf 33.179 Tonnen (+12,7 Prozent) deutlich weniger dynamisch aus.


Chinesische Fragezeichen

Harte Worte fand Thorsten Schulte, auch bekannt als „Silberjunge“, bezüglich des von den Chinesen gemeldeten BIP-Wachstums für das zweite Quartal und meint: „Sieben Prozent Wirtschaftswachstum sind für mich eine Lachnummer. Schon im April machte ich darauf aufmerksam, dass der bekannte Li-Keqiang-Index im März ein Rekordtief verzeichnete und sogar tiefer als Ende 2008 während der Weltwirtschaftskrise notierte.“ Neben Belastungsfaktoren aus China machte er aber auch den starken Dollar und die erhöhte Silberproduktion für den schwachen Silberpreis mitverantwortlich. Auf der Angebotsseite sieht er mittlerweile aber erste Anzeichen für eine Entspannung und verweist auf die im Mai gemeldete, gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent niedrigere Silberproduktion in Höhe von 69,8 Millionen Feinunzen. Zur Erinnerung: Noch im Dezember 2014 wurde ein um zehn Prozent höherer Förderrekord von 77,3 Millionen Feinunzen gemeldet.

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Analysten erwarten höhere Silberpreise

Die jüngste Baisse bei Silber hatten die meisten Analysten so sicherlich nicht auf der Rechnung. Laut einer Datenerhebung der Nachrichtenagentur Bloomberg liegt das Gros der abgelieferten Kursziele derzeit weiterhin deutlich über dem gegenwärtigen Niveau des Silberpreises. So reichen zum Beispiel die von Bloomberg erfassten Prognosen zum durchschnittlichen Silberpreis für das Jahr 2016 von 14,00 Dollar (Société Générale) bis 24,00 Dollar (Capital Economics) und ergeben im Durchschnitt einen Wert von 18,04 Dollar. Unter diesem Aspekt verfügt Silber über ein Aufwärtspotenzial von mehr als 20 Prozent. Noch Anfang Juni begründeten die Analysten von Capital Economics ihren Silber-Optimismus mit einem für das zweite Halbjahr erwarteten industriellen Nachfrageaufschwung, einem positiven Ausblick für die chinesische Wirtschaft und dem damals zu beobachtenden „Silberstreif“ an den Terminmärkten. Sowohl in China als auch an den Terminmärkten hat sich die Stimmung mittlerweile jedoch massiv verschlechtert. Vor allem die Transaktionen der Terminspekulanten der vergangenen Wochen dürften ein wichtiger Grund für die Silberschwäche gewesen sein. 


Terminmärkte machen Hoffnung

Silberjunge Schulte sieht bei dem mit großem Abstand günstigsten Edelmetall aktuell wenig Abwärtspotenzial und begründet dies vor allem mit den Transaktionen der Hedgefonds an den Terminmärkten in den vergangenen Wochen. Diese sind derzeit mit 14.751 Kontrakten netto short und bringen dadurch ihre stark pessimistische Markterwartung zum Ausdruck. Noch nie hat diese Gruppe von Marktakteuren stärker gegen Silber gewettet. Für Thorsten Schulte stellt dies aber kein Problem, sondern ein klares Kaufargument dar. Er meint: „Diese Leute brauchen dringend Nachhilfe. Noch am 19. Mai 2015 waren sie so starke Käufer wie kaum zuvor und wenig später sind sie größte Verkäufer. Sie haben alles falsch gemacht!“ Er sieht die Hedgefonds als optimalen Kontraindikator und empfiehlt deshalb, antizyklisch dagegenzuhalten. Nachdem er im Juli 2014, am 24. Januar 2015 und am 25. Mai 2015 Warnungen ausgesprochen hatte, hält er die Zeit für reif, wieder Hoffnung zu machen.

Andrew Leyland, Mitautor der oben erwähnten, mehr als 100 Seiten starken GFMS-Silbermarktanalyse, prognostizierte übrigens Anfang Mai anlässlich eines Interviews zur Studienveröffentlichung für 2015 eine markante Silberschwäche und lag damit bislang goldrichtig. Besonders interessant: In diesem Interview traf er noch zwei weitere Aussagen, die Silberfans Hoffnung machen dürften. Erstens: Ende des Jahres wird der Silberpreis über 17 Dollar notieren. Zweitens: Der durchschnittliche Silberpreis des Jahres 2015 wird seiner Meinung nach in den nächsten Jahren nicht unterschritten.

Hier finden Sie das gesamte Interview mit Thorsten Schulte zum Download.


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